Wie groß ist der Beitrag des Internets zur Klimakrise?

Dazu findet man online ganz verschiedene Statistiken.

Laut Sustainable Web Manifesto (Februar 2025) wäre das Netz der viertgrößte Umweltverschmutzer auf der Liste der Staaten. Auf einer Statista-Infografik erscheint es auf Platz 6, zwischen Japan und Iran. Und das ZDF zitiert eine Studie der Universität Lancaster, nach der „die IT- und Telekommunikationsindustrie sogar schon im Jahr 2019 für 2,8 Prozent der globalen fossilen Treibhausgasemissionen verantwortlich“ war – mehr als der Anteil des internationalen Flugverkehrs.

Allen gemeinsam ist jedoch das Fazit:

Wir müssen die CO₂e-Emissionen unserer Online-Aktivitäten reduzieren

Denn kein verantwortungsbewusstes Unternehmen hat finanzielles Interesse an einer Zukunft, in der uns vor allem Dürren, Überflutungen und die Flucht vor Umweltzerstörung beschäftigen. Der Kauf einer neuen Spiele-App, eines Cabriolets oder eines Badvorlegers wirkt in dem Kontext absurd.

Stellt sich die Frage: Was können wir tun, um CO₂e-Ausstoß zu reduzieren?

Vereinfacht dargestellt geht die Rechnung so:

Daten = Strom = Treibhausgase

Das Leben online beruht auf Datenspeicherung, -austausch und -verarbeitung. Ob Software oder Cloudspeicher, Website oder E-Mail: Bei jeder Interaktion werden Texte, Bilder, Datenbanken geladen, verändert und/oder gespeichert.

Dazu ist Strom nötig:

  • Auf dem Gerät, das uns die Inhalte anzeigt oder mit dem wir sie erstellen.
  • In der Netz-Infrastruktur, auf der die Inhalte uns erreichen.
  • Und in den Rechenzentren, wo Server Tag und Nacht dafür sorgen, dass Inhalte weltweit abrufbar sind.

Der Großteil des nötigen Stroms wird nach wie vor aus fossilen Energien gewonnen

Daten werden meist dezentral auf Servern an verschiedenen Standorten abgelegt, damit sie verlässlich und schnell überall in der Welt zugänglich sind.

2017 gab es über 8,5 Millionen Rechenzentren weltweit. Seitdem dürfte ihre Zahl deutlich zugenommen haben, denn alleine Suchanfragen auf Google sind von 2019 bis 2021 um 60 % gestiegen. Der Trend geht weiter: brand eins berichtete Anfang 2023, dass Fachleute bis 2033 mit 60 Prozent mehr Stromverbrauch durch Rechenzentren rechnen. Seit mit ChatGPT das Interesse an KI explodiert ist, scheint diese Prognose eher konservativ.

Wenn die weltweite Energiewende weiter auf sich warten lässt, wird das zum Riesenproblem. Vor allem, weil die meisten Serverfarmen der großen Anbieter (z. B. auch Google, Meta, Yahoo und Microsoft) in den USA liegen, wo 2022 60 % des benötigten Stroms aus fossilen Energiequellen gewonnen wurde. Chinesische Rechenzentren werden laut Greenpeace sogar zu 73 % mit Kohle betrieben; dort gibt es mindestens 2 Microsoft-Rechenzentren.

Selbst wenn wir zu Hause oder im Büro Ökostrom nutzen, ist das digitale Marketing auf unseren Bildschirmen also nicht unbedingt „clean”.

Die Ironie hinter den Social-Media-Kampagnen gegen fossile Brennstoffe

Ironically, all campaigns against fossil fuels on social media with calls to “keep it in the ground” are powered by… fossil fuels.

(Ironischerweise laufen alle Kampagnen gegen fossile Brennstoffe, die dazu aufrufen, „sie im Boden zu lassen“, in sozialen Medien, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.)

– Tsvetana Paraskova, oilprice.com

So funktionieren CO₂e-Rechner für Websites, E-Mails und Online-Werbung

Als Faustregel lässt sich sagen: Je kleiner die Datenmenge, um so weniger Strom wird benötigt und um so weniger CO₂e wird ausgestoßen.

Werden die Website, Cloudlösung oder Inhalte zudem grün gehostet, verbessert sich die Ökobilanz zusätzlich.

Nach diesem Prinzip funktionieren mehr oder weniger alle Tools zur Messung eures ökologischen Fußabdrucks im Netz. Unterschiede bestehen hauptsächlich im Funktionsumfang und den zugrundeliegenden Emissionswerten. (Im Tool-Check am Ende des Kapitels stellen wir einige ausgewählte Beispiele vor.)

Diese Methodik ist bei weitem nicht perfekt. Die Green Web Foundation kritisiert zum Beispiel, dass Faktoren wie Wassernutzung zur Server-Kühlung, Umweltverschmutzung bei der Produktion digitaler Geräte und ihr End of Life (Hardware-Elektroschrott) nicht berücksichtigt werden. Außerdem fehle es an verlässlichen, aktuellen und öffentlich zugänglichen Umweltdaten.

Bei aller Kritik ist es dennoch elementar, dass wir CO₂e-Emissionen messen und reduzieren. Um das Pariser Abkommen zu erfüllen, muss die Digitalbranche ihren Treibhausgasausstoß jedes Jahr um mindestens 2,5 % reduzieren. Ohne Messung ist das nicht umsetzbar.

Digitale Ökobilanz optimieren: mehr als „die bloße Fixierung auf Maßnahmen zur CO₂-Reduktion“

Beim Thema Nachhaltigkeit denken wir oft zuerst an minimalistisches Web-Design, an komprimierte Bilddateien, technische Web-Einstellungen und Plugins. Weniger oft betrachten wir das Gleichgewicht zwischen unseren Emissionen und unserem gesellschaftlichen Beitrag.

Doch die Frage sollte sein:

  • Wenn ich die Umwelt mit CO₂e belaste – lohnt sich das denn für die Welt?
  • Welchen Mehrwert schaffe ich damit?
  • Oder arbeite ich extraktiv, indem ich rein profitorientiert zur Erderhitzung beitrage?
  • Nützt diese Online-Aktivität nur meinem Unternehmen – oder nützt sie auch den Menschen und dem Umweltschutz?

Diese Perspektive treibt Gerrit Schuster an. Der Gestalter von umwelt- und menschenfreundlichen Websites und Markenidentitäten veröffentlichte Ende 2021 die Methodensammlung nachhaltiges-webdesign.jetzt.

Genau wie dieser hier ist auch Gerrits Guide frei und kostenlos zugänglich. Er umfasst derzeit 18 Prinzipien – von der Nutzer_innenführung über Fragen zum Code bis hin zu Empowerment und Ethik.

Denn „Nachhaltigkeit wird stark, wenn wir die bloße Fixierung auf Maßnahmen zur CO₂-Reduktion hinter uns lassen und nach Gerechtigkeit, nach Teilhabe, nach Menschenwürde fragen,“ sagt Gerrit Schuster. Er versteht Nachhaltigkeit entsprechend „weitgefasst als Respekt und Verantwortung gegenüber allem Lebendigen.“

Wie soll’s weitergehen?

Hilf Menschen bei nachhaltigen Entscheidungen oder stöbere direkt in der Toolbox zu Kapitel 4.