Wie groß ist der Beitrag des Internets zur Klimakrise?
Dazu findet man online ganz verschiedene Statistiken.
Laut Sustainable Web Manifesto (Februar 2025) wäre das Netz der viertgrößte Umweltverschmutzer auf der Liste der Staaten. Auf einer Statista-Infografik erscheint es auf Platz 6, zwischen Japan und Iran. Und das ZDF zitiert eine Studie der Universität Lancaster, nach der „die IT- und Telekommunikationsindustrie sogar schon im Jahr 2019 für 2,8 Prozent der globalen fossilen Treibhausgasemissionen verantwortlich“ war – mehr als der Anteil des internationalen Flugverkehrs.
Allen gemeinsam ist jedoch das Fazit:
Wir müssen die CO₂e-Emissionen unserer Online-Aktivitäten reduzieren
Denn kein verantwortungsbewusstes Unternehmen hat finanzielles Interesse an einer Zukunft, in der uns vor allem Dürren, Überflutungen und die Flucht vor Umweltzerstörung beschäftigen. Der Kauf einer neuen Spiele-App, eines Cabriolets oder eines Badvorlegers wirkt in dem Kontext absurd.
Was ist CO₂e?
CO₂e
CO₂e steht für „CO₂ equivalents“ – CO₂-Äquivalente.
Der Begriff wurde eingeführt, um alle Treibhausgase zusammenzufassen. Außer Kohlendioxid gehören dazu unter anderem auch Methan und Lachgas.
Da sich unterschiedliche Gase unterschiedlich stark auf die Erderhitzung auswirken, wird’s ohne gemeinsamen Nenner schnell unübersichtlich. Methan zum Beispiel wirkt mindestens 25-mal so stark wie CO₂, wie die Deutsche Welle berichtet
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Stellt sich die Frage: Was können wir tun, um CO₂e-Ausstoß zu reduzieren?
Vereinfacht dargestellt geht die Rechnung so:
Daten = Strom = Treibhausgase
Das Leben online beruht auf Datenspeicherung, -austausch und -verarbeitung. Ob Software oder Cloudspeicher, Website oder E-Mail: Bei jeder Interaktion werden Texte, Bilder, Datenbanken geladen, verändert und/oder gespeichert.
Dazu ist Strom nötig:
- Auf dem Gerät, das uns die Inhalte anzeigt oder mit dem wir sie erstellen.
- In der Netz-Infrastruktur, auf der die Inhalte uns erreichen.
- Und in den Rechenzentren, wo Server Tag und Nacht dafür sorgen, dass Inhalte weltweit abrufbar sind.
Der Großteil des nötigen Stroms wird nach wie vor aus fossilen Energien gewonnen
Daten werden meist dezentral auf Servern an verschiedenen Standorten abgelegt, damit sie verlässlich und schnell überall in der Welt zugänglich sind.
2017 gab es über 8,5 Millionen Rechenzentren weltweit. Seitdem dürfte ihre Zahl deutlich zugenommen haben, denn alleine Suchanfragen auf Google sind von 2019 bis 2021 um 60 % gestiegen. Der Trend geht weiter: brand eins berichtete Anfang 2023, dass Fachleute bis 2033 mit 60 Prozent mehr Stromverbrauch durch Rechenzentren rechnen. Seit mit ChatGPT das Interesse an KI explodiert ist, scheint diese Prognose eher konservativ.
Wenn die weltweite Energiewende weiter auf sich warten lässt, wird das zum Riesenproblem. Vor allem, weil die meisten Serverfarmen der großen Anbieter (z. B. auch Google, Meta, Yahoo und Microsoft) in den USA liegen, wo 2022 60 % des benötigten Stroms aus fossilen Energiequellen gewonnen wurde. Chinesische Rechenzentren werden laut Greenpeace sogar zu 73 % mit Kohle betrieben; dort gibt es mindestens 2 Microsoft-Rechenzentren.
Selbst wenn wir zu Hause oder im Büro Ökostrom nutzen, ist das digitale Marketing auf unseren Bildschirmen also nicht unbedingt „clean”.
Die Ironie hinter den Social-Media-Kampagnen gegen fossile Brennstoffe
Ironically, all campaigns against fossil fuels on social media with calls to “keep it in the ground” are powered by… fossil fuels.
(Ironischerweise laufen alle Kampagnen gegen fossile Brennstoffe, die dazu aufrufen, „sie im Boden zu lassen“, in sozialen Medien, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.)
– Tsvetana Paraskova, oilprice.com
Stolperfalle: Auch E-Mails haben einen ökologischen Fußabdruck
Weißt du, wie viel CO₂e eure E-Mail-Marketing-Plattform emittiert?
Wenn dein Unternehmen seinen CO₂-Fußabdruck einschließlich Scope 3 ermitteln will, müsst ihr das eigentlich wissen. Denn wie Carbon Trust erklärt, umfasst Scope 3 alle indirekten Emissionen – außer denen aus der Erzeugung von gekauftem Strom, Dampf, Wärme und Kühlung – die in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens entstehen.
Doch solche Informationen sind kaum zu beschaffen. Die wenigsten Plattformen berichten über ihre Emissionen oder ihren Beitrag zum Umweltschutz.
Eine Ausnahme ist Brevo (früher Sendinblue). 2020 beschloss das französische Unternehmen, seinen CO₂e-Ausstoß inklusive Scope 3 zu untersuchen. Das Ergebnis: pro Nutzer_in wurden in dem Jahr 25g CO₂e emittiert, pro E-Mail 0,17g – einschließlich der Planung, Versand und Speicherung auf dem Endgerät der Zielgruppe.
Das klingt nach wenig. Doch wer pro Woche drei Marketing-E-Mails an 100.000 Menschen sendet, schickt damit jedes Jahr 2,652 Tonnen CO₂e in den Äther. Das ist mehr als die Hälfte des Pro-Kopf-CO₂-Ausstoßes in Schweden.
Stolperfalle: Programmatische Werbung
Ein Bericht der Beratungsfirma Scope3 stellte Anfang 2023 fest: Programmatic Advertising trägt allein in Deutschland jeden Monat 52.500 Tonnen CO₂e zur Klimakrise bei. 1.000 Impressionen emittieren so viel Treibhausgas wie einmal Waschmaschine Einschalten. Unter den 5 untersuchten Werbe-Nationen steht Deutschland damit an der Spitze. Die USA, Frankreich, Großbritannien und Australien stoßen teils über 100g weniger aus.
Die Lösung hat übrigens keinerlei negativen Einfluss auf die Werbewirksamkeit:
- Impact der Kampagnen messen
- Made-For-Advertising-Domains meiden
- Dialog mit Plattformpartnern suchen – und wechseln, wenn deren Lieferkette nicht optimiert wird
- Werbeausgaben verlagern und optimieren: grüne Marktplätze, weniger belastende Segmente nutzen
Stolperfalle: Krypto
Sollte euer Online-Shop Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren? Ist es eine gute Idee, in eurem Finanzblog für Krypto zu werben?
Nicht, wenn Nachhaltigkeit zu euren Firmenwerten gehört.
Denn eine einzige Bitcoin-Transaktion produziert so viel CO₂e wie 119.824 Stunden YouTube-Streaming. Eine einzige Transaktion verbraucht so viel Strom wie ein durchschnittlicher US-amerikanischer Haushalt an 44,18 Tagen und so viel Wasser wie ein Schwimmbad im Garten.
Jährlich summiert sich das auf einen CO₂e-Ausstoß vergleichbar mit dem von Qatar und einen Stromverbrauch so groß wie der von Polen.
Dieser Strom wird hauptsächlich mit dem Verbrennen von Gas, Kohle und Öl produziert. Noch dazu fallen pro Jahr 43,79 Kilotonnen Elektroschrott an.
Die gute Nachricht: Die alternative Kryptowährung Ethereum hat seit September 2022 einen um 99.84 % kleineren Energiehunger. (Quelle: Digiconomist)
So funktionieren CO₂e-Rechner für Websites, E-Mails und Online-Werbung
Als Faustregel lässt sich sagen: Je kleiner die Datenmenge, um so weniger Strom wird benötigt und um so weniger CO₂e wird ausgestoßen.
Werden die Website, Cloudlösung oder Inhalte zudem grün gehostet, verbessert sich die Ökobilanz zusätzlich.
Nach diesem Prinzip funktionieren mehr oder weniger alle Tools zur Messung eures ökologischen Fußabdrucks im Netz. Unterschiede bestehen hauptsächlich im Funktionsumfang und den zugrundeliegenden Emissionswerten. (Im Tool-Check am Ende des Kapitels stellen wir einige ausgewählte Beispiele vor.)
Diese Methodik ist bei weitem nicht perfekt. Die Green Web Foundation kritisiert zum Beispiel, dass Faktoren wie Wassernutzung zur Server-Kühlung, Umweltverschmutzung bei der Produktion digitaler Geräte und ihr End of Life (Hardware-Elektroschrott) nicht berücksichtigt werden. Außerdem fehle es an verlässlichen, aktuellen und öffentlich zugänglichen Umweltdaten.
Bei aller Kritik ist es dennoch elementar, dass wir CO₂e-Emissionen messen und reduzieren. Um das Pariser Abkommen zu erfüllen, muss die Digitalbranche ihren Treibhausgasausstoß jedes Jahr um mindestens 2,5 % reduzieren. Ohne Messung ist das nicht umsetzbar.
Digitale Ökobilanz optimieren: mehr als „die bloße Fixierung auf Maßnahmen zur CO₂-Reduktion“
Beim Thema Nachhaltigkeit denken wir oft zuerst an minimalistisches Web-Design, an komprimierte Bilddateien, technische Web-Einstellungen und Plugins. Weniger oft betrachten wir das Gleichgewicht zwischen unseren Emissionen und unserem gesellschaftlichen Beitrag.
Doch die Frage sollte sein:
- Wenn ich die Umwelt mit CO₂e belaste – lohnt sich das denn für die Welt?
- Welchen Mehrwert schaffe ich damit?
- Oder arbeite ich extraktiv, indem ich rein profitorientiert zur Erderhitzung beitrage?
- Nützt diese Online-Aktivität nur meinem Unternehmen – oder nützt sie auch den Menschen und dem Umweltschutz?
Diese Perspektive treibt Gerrit Schuster an. Der Gestalter von umwelt- und menschenfreundlichen Websites und Markenidentitäten veröffentlichte Ende 2021 die Methodensammlung nachhaltiges-webdesign.jetzt.
Genau wie dieser hier ist auch Gerrits Guide frei und kostenlos zugänglich. Er umfasst derzeit 18 Prinzipien – von der Nutzer_innenführung über Fragen zum Code bis hin zu Empowerment und Ethik.
Denn „Nachhaltigkeit wird stark, wenn wir die bloße Fixierung auf Maßnahmen zur CO₂-Reduktion hinter uns lassen und nach Gerechtigkeit, nach Teilhabe, nach Menschenwürde fragen,“ sagt Gerrit Schuster. Er versteht Nachhaltigkeit entsprechend „weitgefasst als Respekt und Verantwortung gegenüber allem Lebendigen.“
Kommt ins Tun – mit Ecocycle Planning
Mithilfe dieser Innovationstechnik analysiert ihr als Führungskräfte und Entscheidende alle 4 Phasen im Prozess eures Online-Marketings. Auf der Website von Liberating Structures stehen weitere Infos zur Durchführung sowie ein Beispiel-Arbeitsblatt zum Download bereit.
Betrachtet, organisiert und priorisiert laufende Aktivitäten in Hinsicht auf folgende 4 Entwicklungsphasen. Formuliert Maßnahmen für jede Phase:
Planen und Erstellen der Kampagne
Reifung bzw. Optimierung der Maßnahme, Experimentieren
(Kreative) Zerstörung bzw. Löschen – denkt hier an alle Beteiligten einschließlich Agenturen, der digitalen Lieferkette und Empfänger_innen
Erneuerung, Wiederverwendung, Recycling
Einige Impulse zur Ideenfindung:
- Wie könnt ihr beim Planen und Erstellen eures Marketings CO₂e-Emissionen reduzieren?
- Mit welchen Maßnahmen lässt sich die „Lebensdauer“ eures Online-Marketings verlängern oder seine Effizienz steigern?
- Welche starren Praktiken könnt ihr loslassen, um effizientere Prozesse zu ermöglichen?
- Tragt ihr „totes Holz“ in Form von nicht mehr genutzten Marketing-Assets auf euren Rechnern und Geräten mit euch herum?
- Wie könntet ihr Kreative zusammenführen, die für euch maßgeschneiderte Methoden zum aktiven Klimaschutz entwickeln?
- Besteht die Möglichkeit, ältere Assets in neuen Kontexten wiederzubeleben?
- Welches Führungsverhalten braucht ihr in den einzelnen Phasen? (Liberating Structures bietet die Rollen Unternehmer_in, Manager_in, Ketzer_in oder Networker_in an.)
Wie soll’s weitergehen?
Hilf Menschen bei nachhaltigen Entscheidungen oder stöbere direkt in der Toolbox zu Kapitel 4.